Positive Führung: Illusorische Evidenz

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Die Empfehlung zu positiver Führung basiert auf dem Trugschluss, das Führungsverhalten mit dessen positiver Beurteilung gleichzusetzen. Denn Führungsverhalten muss nicht die Erklärung der Resultate sein.

Was ist falsch daran, als Führungskraft Authentizität anzustreben? Was ist falsch daran, als Führungskraft Ethik in den Vordergrund zu stellen? Was ist falsch daran, als Führungskraft die Bedürfnisse der Mitarbeitenden über die eigenen zu stellen? Die Antwort auf diese drei Fragen ist jeweils dieselbe: nichts. Gibt es wissenschaftliche Studien, die vermeintlich die Effektivität authentischer, ethischer und dienender – sogenannter positiver – Führungsstile belegen? Ja. hundertfach in einschlägigen Top-Journals. Und vermutlich tausendfach im erweiterten wissenschaftlichen Diskurs. Sollten wir also auf wissenschaftlicher Basis Führungskräften empfehlen, authentisch, ethisch, dienend, kurzum, „positiv“ zu führen? Keinesfalls! Zumindest nicht, wenn wir den Führungskräften Handlungsempfehlungen geben wollten, die erwiesenermaßen zu positiven Resultaten führen.

Was ist also falsch daran, eine wissenschaftlich basierte Empfehlung zu positiver Führung auszusprechen? Die Antwort in Kurzform: Die empirische Evidenz, die solchen Empfehlungen zugrunde liegt, basiert auf einem Trugschluss, der wiederum zu einem unhaltbaren Luftschloss führt.

Der Trugschluss, oder fatale Fehler, besteht darin, Führungsverhalten mit dessen positiver Beurteilung gleichzusetzen. Und das Luftschloss besteht in der illusorischen Erkenntnis, dass authentisches, ethisches und dienendes Führungsverhalten zu positiven Resultaten wie erhöhter Leistung oder Zufriedenheit von Mitarbeitenden führen würde.

Nun stellt sich die Folgefrage, wie es möglich ist, dass im kompetitiven akademischen peer-review System hunderte wissenschaftliche Artikel demselben Trugschluss aufsitzen und illusorische Schlussfolgerungen ziehen. Insbesondere, weil diese Arbeiten auch die Basis der wissenschaftlichen Rechtfertigung einer milliardenschweren Branche sogenannter positiver Führungscoachings und -trainings sind.

Vier Studien

Dieser Frage ging der Autor gemeinsam mit Jörg Dietz und John Antonakis, zwei Professoren der Universität Lausanne, in dem in der Fachzeitschrift „The Leadership Quarterly“ publizierten Artikel „A fatal flaw: Positive leadership style research creates causal illusions“ nach. Der Artikel basiert auf vier experimentellen Studien und einer kausal rigorosen Datenbasis.

Im Rahmen der vier Studien wurden der bereits erwähnte fatale Fehler sowie die kausalen Illusionen der positiven Führungsforschung aufgezeigt. Dabei haben wir, mit einer entscheidenden Ausnahme, die Struktur typischer positiver Führungsstilforschung imitiert. Das Studiendesign bietet – im Gegensatz zur bisherigen Forschung – vollständige experimentelle Kontrolle über das Führungsverhalten und weitere Eigenschaften der Führungskraft sowie des Kontexts. Darüber hinaus haben wir, im Einklang mit bestehender Forschung, Studienteilnehmende ihre Führungskraft entlang psychometrisch validierter Fragebögen zu positiver Führung beurteilen lassen, welche – vermeintlich – Führungsverhalten messen. Des Weiteren haben wir die Führungsresultate auf objektive Weise gemessen, nämlich durch konkrete ethische und ökonomische Reaktionen auf das Führungsverhalten.

Sodann haben wir mittels statistischer Regressionsanalyse den Zusammenhang zwischen gemessenem Führungsstil und den Führungsresultaten als abhängige Variable analysiert. Sprich, wir haben die Variation in der Messung der Führungsstile dazu verwendet, die Variation in den Führungsresultaten zu erklären. Wie in zahlreichen anderen Studien fanden wir einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen gemessenem Führungsstil und Führungsresultaten.

Erklärung der Ergebnisse

Nur kommt hier der entscheidende Twist: Während die vorherigen Studien behaupten, dieser Zusammenhang sei durch die Effekte von Führungsverhalten bedingt, ist diese Erklärung im Rahmen unseres Studiendesigns ausgeschlossen. Unsere Studienteilnehmer wurden ja identischem bzw. experimentell kontrolliertem Führungsverhalten ausgesetzt. Das heißt, wir haben die Datenstruktur hunderter Studien repliziert, konnten aber gleichzeitig zeigen, dass deren Rückschlüsse falsch sind: Führungsverhalten muss nicht die Erklärung der Resultate sein.

Was erklärt stattdessen den Zusammenhang zwischen gemessenen Führungsstilen und Führungsresultaten? Die einzig verbleibende Möglichkeit ist eine beobachterspezifische Variation in der Beurteilung des Führungsverhaltens. Anders formuliert: Diejenigen Beobachtenden, welche das Führungsverhalten positiver beurteilen (d.h. bessere Bewertung des Führungsstils), reagieren positiver auf die Führungskraft (d.h. bessere Führungsresultate). Das hat aber …

Professor Dr. Thomas Fischer, Ph.D. in Economics, ist Associate Professor am Institute of Management an der Geneva School of Economics and Management der Universität Genf

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