Perfektionismus bei der Arbeit: schädlich oder hilfreich?

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Im Arbeitskontext ist Perfektionismus weniger hilfreich als angenommen. Die Nützlichkeit perfektionistischen Strebens ist umstritten, perfektionistische Bedenken sind sogar schädlich.

Seien es Vorgesetzte, Kollegen oder Kolleginnen, oder vielleicht ja auch Sie selbst: Jede oder jede von uns kennt vermutlich mindestens eine Person bei der Arbeit, die extrem hohe Ziele verfolgt, die von sich selbst oder anderen immer Höchstleistungen fordert, für die selbst Bestleistungen nicht gut genug zu sein scheinen. Solche Personen werden als Perfektionisten bezeichnet. Doch was ist damit eigentlich genau gemeint? Und ist es hilfreich oder schädlich, bei der Arbeit nach Perfektion zu streben?

Was ist Perfektionismus?

Laut Duden sind mit Perfektionisten Personen gemeint, die sich durch ein übertriebenes Streben nach Perfektion auszeichnen. Genau dieses Streben nach extrem hohen (Leistungs-)Standards, nach Fehlerlosigkeit und Unübertrefflichkeit bildet den Kern des Perfektionismus.

Wie die Forschung der letzten drei Jahrzehnte zeigen konnte, ist Perfektionismus jedoch kein ein-, sondern ein mehrdimensionales Konstrukt. Gemäß des Zweifaktorenmodells des Perfektionismus stellen neben dem bereits erwähnten perfektionistischen Streben die perfektionistischen Bedenken die zweite Kerndimension dar. Gemeint sind hiermit Sorgen, den eigenen oder von anderen gesetzten extrem hohen Standards nicht gerecht zu werden, Angst vor Fehlern und Misserfolgen und ein Hang dazu, sich selbst übermäßig stark zu kritisieren.

Perfektionismus kann bei einer Person in verschiedenen Lebensbereichen unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Beispielsweise kann eine Person besonders perfektionistisch bei der Arbeit und beim Sport sein, jedoch weniger perfektionistisch, was die Haushaltsführung anbelangt. Eine andere Person kann besonders perfektionistisch bezüglich der Erziehung ihrer Kinder sein, aber wenig oder gar nicht perfektionistisch in Bezug auf ihre Arbeit.

Tendenziell sind Personen in umso mehr Bereichen ihres Lebens perfektionistisch, je stärker ihr Perfektionismus ausgeprägt ist. Die Arbeit scheint hierbei der am stärksten durch Perfektionismus betroffene Lebensbereich zu sein.

Perfektionismus bei der Arbeit

Obwohl Perfektionismus gerade bei der Arbeit als besonders einflussreich gilt, ist die Forschung hierzu vergleichsweise spärlich und die Ergebnislage noch nicht eindeutig. In den vergangenen Jahren wurden zwei Übersichtsarbeiten zu Perfektionismus im Arbeitskontext veröffentlicht. Dana Harari, Brian Swider, Laurens Steed und Amy Breidenthal (2018) untersuchten in ihrer Arbeit Is perfect good? A meta-analysis of perfectionism in the workplace Zusammenhänge der beiden Perfektionismus-Dimensionen mit arbeitsrelevanten Konstrukten, wie etwa Motivation, Arbeitssucht, Arbeitsengagement, Burnout, mentalem Wohlbefinden und Leistung.

Insgesamt zeigte sich für die beiden Perfektionismus-Dimensionen recht gegenläufige Befundmuster. Perfektionistisches Streben hing positiv mit Motivation und Arbeitsengagement zusammen, perfektionistische Bedenken hingegen positiv mit Arbeitssucht und Burnout sowie negativ mit Arbeitsengagement. Bezüglich der Wohlbefindens-Indikatoren zeigte sich, dass sowohl perfektionistisches Streben als auch perfektionistische Bedenken positiv mit Ängstlichkeit und Depression zusammenhingen; die perfektionistischen Bedenken zeigten zudem einen positiven Zusammenhang zu Stressempfinden. Überraschenderweise zeigten sich keine signifikanten Zusammenhänge zwischen beiden Perfektionismus-Dimensionen und verschiedenen Leistungsindikatoren.

Anna Carmella Ocampo, Lu Wang, Kohyar Kiazad, Simon Lloyd Restubog und Neal Ashkanasy (2020) kamen in ihrer Arbeit The relentless pursuit of perfectionism: A review of perfectionism in the workplace and an agenda for future research zu recht ähnlichen Ergebnissen.

Es gab jedoch ebenfalls beachtenswerte Unterschiede zwischen beiden Übersichtsarbeiten. So fanden Ocampo und Kollegen einen positiven Zusammenhang zwischen perfektionistischem Streben und Arbeitssucht und Belege für einen ambivalenten Zusammenhang mit Stressempfinden und Burnout. Anders als Harari und Kollegen und Kolleginnen betonen sie außerdem die Rolle von Perfektionismus für verschiedene Leistungsindikatoren. Sie berichten positive Zusammenhänge von perfektionistischem Streben mit Innovation, Aufgabenleistung und Kreativität, aber auch ambivalente Beziehungen zu Zielerreichung und Produktivität sowie einen negativen Zusammenhang zwischen perfektionistischen Bedenken und Zielerreichung bei der Arbeit.

Die Arbeiten beider Forschungsgruppen zeigen somit die Bedeutsamkeit von Perfektionismus für die Arbeit auf. Dennoch lassen sich aus diesen Übersichtsartikeln keine eindeutigen Schlüsse hinsichtlich der Erwünschtheit von Perfektionismus im Arbeitskontext ziehen.

Während perfektionistische Bedenken durchw…

Dr. Monique Mohr, Promotion in Psychologie, M.Sc. Psychologie, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie an Technische Universität Chemnitz

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